Das Umsonst und draussen-Festival konnte uns an diesem Wochenende nicht locken, obwohl es erstens umsonst ist und zweitens draussen. Abgeschreckt fühlte ich persönlich mich nicht vom Webdesign, sondern von den MySpace (die älteren erinnern sich)-Auftritten der Bands. Zu meiner Aversion gegen die Genres Ska und Latin-Musik, die sich in Form der Palmeras Kanibales sogar in einer Superschurkenband zusammenfanden, haben außerdem noch Supermug abgesagt. Supermug! Außerdem ist mir das dortige Publikum viel zu jung und revoluzzerhaft, das macht mein Herz nicht mit.
Also entschieden wir uns für das Rentnerfest Stuttgarter Sommerfest „im Herzen der Schwabenmetropole“. Beim Stuttgarter Sommerfest, welches auch „rund um den Eckensee“ (sick!) stattfindet, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich möchte an dieser Stelle völlig ohne Zusammenhang einwerfen, dass mir der Begriff „Genügsame Traditionelle“ aus der Schweizer Version der Sinus-Milieus äußerst gut gefällt.
Auf dem „Festle“ herrschte zwischen den Bühnen, auf denen sich Schlager- und Coverbands verdingten, ein großes Gedränge und Geschubse und mir wurde in diesem kleinen Gang unwohl, in dem man sich überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Es gibt ja Menschen, die gehen in sowas wirklich auf. Die gehen da extra hin, weil da viele Menschen sind. Das verstehe, wer will. Aber warum waren wir denn dort?
Da möchte ich ganz offen sein: Wir wollten eine Portion Pommes essen. Tjaha, so genügsam und traditionell sind wir eben doch, dass uns der Wille nach einer schnöden Portion Pommes auf ein Straßenfest treibt. Aber die Stände fielen wegen Überfüllung aus, zumal nicht wirklich zu erkennen war, ob es dort überhaupt irgendwo Pommes gab. Eher Weine und Baguettes. Überhaupt sind Pommes eine große Rarität geworden. Wir entfernten uns vom Fest, um eine Pommesbude aufzutreiben und gerieten in eine Demonstration gegen Stuttgart 21, die direkt nebenan vom Fest stattfand.

Die Menschenmenge ist aufgrund der Dunkelheit nur schlecht zu erkennen. Beim Vergrößern sieht man, wie jemand ein Schild hochhält, auf dem der Rückbau des alten Schlosses und des Parkplatzes am Schillerplatz gefordert wird.
Demonstrationen sind, unabhängig der Richtigkeit ihrers Anliegens, auch kein Ort für mich. Lieber verändere ich die Gesellschaft aus dem System heraus (gemeine Tweets, unterstützen von Facebookgruppen etc.). Abgesehen davon war diese Demonstration gerade im Begriff von Tränengas, Kampfhunden oder wahlweise ihrem natürlichen Ende aufgelöst zu werden. Und überhaupt: wir wollten einfach nur Pommes.
Wie gesagt, ist der Kartoffelschnitz im Begriff, auszusterben. Es ist nicht möglich, eine Frittenbude aufzutreiben. Zum ersten mal wurde uns bewusst, wie viele Dönerläden es tatsächlich gibt, es ist sagenhaft. Nichts gegen Dönereien, aber wir kamen auf der Suche nach Fritten bestimmt an einem Dutzend vorbei. Dank mobilem Internet (yay!) gelangten wir schließlich zum Brunnenwirt. Die Pommes wurden teuer erkauft mit unfreundlicher Bedienung und sämtlichen schrecklichen Currywurstbudenklischees. Das Internet schreibt vom „besten Imbiss der Stadt“ (Kunststück, es ist wohl auch der einzige), „gemischtem/schrägem Publikum“ (würgwürg) und „Kult“ (brrr). Das ist überhaupt das schlimmste auf der Welt: Kultige Currywurstbuden, die als Geheimtipp für alle „Nachtschwärmer“ gelten, ein schräges Publikum anziehen, und was sonst noch wirklich jede Bude von sich behauptet. In jeder Stadt der gleiche Mist. Eines Tages werde ich eine Currywurstbude eröffnen und per Mundpropaganda verbreiten lassen, dass es bei mir stinknormale Currywürste gibt, die in stinknormaler Pampe und mit normalen Brötchen angeboten werden, und sich meine Gäste nicht genötigt fühlen müssen, eine kultige „Curry Spezial“-Soße zu probieren.
„Frisch gestärkt“ verließen wir diese irre Stadt voller Junggesellenabschiede (vier männliche, ein weiblicher waren es diesmal) wieder und jedes mal bin ich froh, an unserer Haltestelle auszusteigen, wo nie etwas los ist und dann aber ab nach Hause.
Wir schauten noch den legendären Yakuza-Kracher Crying Freeman, welcher in meiner Jugend großen Zuspruch in meiner ‚hood fand – sonderlich gut gealtert ist er nicht. Laut Wikipedia bescheinigte die TV Movie dem Film eine visuelle Eleganz und Farbenpracht. Mir fiel vor allem auf, dass in Japan die Wälder genau so aussehen wie in Kanada. Das so genannte Stargate-Syndrom.
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Um die vielen Stimmen vom Vorabend wieder aus dem Kopf zu kriegen, ging es heute ein wenig vor dir Tür in jenen Park, der keine Beachtung genießt. Er ist ein wenig naturbelassener und versteckter als der Schlossgarten, im Sinne von: hier gibt es Bäume und es sieht nicht aus wie im Teletubbyland.

Man fühlt sich ein wenig wie im kanadischen Wald und hofft, dass keine Yakuza-Killer aus dem Gebüsch hervorspringen.

Die Villa Berg beeindruckt vor allem durch ihre verblüffende Ähnlichkeit mit dem Herrenhaus aus Resident Evil Zero. Zu erkennen ist, dass die Glasfront mit Holz versiegelt wurde. Warum?
Legendär ist übrigens unsere Fähigkeit, Regengüsse genau vorherzusehen und in exakt dem Moment unser Haus zu betreten, in dem es anfängt zu regnen. Gut, wahrscheinlich ist eher unsere selektive Wahrnehmung legendär. Jedenfalls: Es fing genau in dem Augenblick an fürchterlich zu regnen, in dem wir unser Haus betraten. Das kann man auch als Bild für etwas sehen, ich weiß nur nicht, für was. Vielleicht, dass es egal ist, ob es sich um Menschen- oder Wassermassen handelt, es ist stets eine Freude, nach Hause zu kommen.
Es sind ja nicht nur die Pommes, die fehlen. Auch die Pizza Margerita schmeckt heute nur noch wischiwaschi. Das ist alles in den 90er Jahren zurückgeblieben. Grüne Bohnensalat auch.
Ich hoffe, die Imbisskulturpfleger geben sich bald einen Ruck und erinnern sich an die Traditionen im feinsinnigen Gerümpel-Essen der goldenen 90er Jahre!