Rass!smbr

Viel perverser noch als das Betteln um Geld ist das Betteln um Aufmerksamkeit. Das Betteln um Geld hat eine lange Tradition in der Welt, der vor allem die Verlierer der Gesellschaft folgen, die keine andere Möglichkeit sehen oder bekommen, ihr Leben zu bestreiten. Nie käme es mir in den Sinn, über diese Menschen schlecht zu urteilen. In der Regel sind Menschen nicht selbst Schuld daran, dass sie betteln müssen, sie werden von äußeren Umständen dazu gezwungen. Der Bettler an sich verdient den Respekt, der nun einmal jedem Menschen gebührt und noch ein bisschen mehr, weil er es schwerer hat als andere.

Das Betteln um Aufmerksamkeit ist jedoch oft ein schändliches Tun. Die beiden schlimmsten Gattungen der Aufmerksamkeitsheischer sind Scenegirls und F!XMBR. Erstere sehen dabei wenigstens gut aus und tun so ihren Teil für die Gesellschaft. Scenegirls? Hooray! Menschen wie Chris von F!XMBR aber bleibt da oft nur die Pöbelei. Immer am Abgrund der Dummheit entlang schlaendernd, geht es in der Regel gegen Politiker, Blogger, Twitterer, Facebook oder sonstigem und man ist ruhig, weil: es trifft ja nicht immer die falschen. Zuverlässig knickte man ja auch regelmäßig wieder ein und twitterte dann selbst oder facebookconnectete sein Blog, denn die Moserei war schon zuvor stets ohne Gehalt und der reinen Aufmerksamkeitsheischerei geschuldet. Weiß ja auch jeder, weswegen man dieses Blog zur reinen Belustigung toleriert und die Satirelizenz nicht entzogen wird.

Wirklich ärgerlich wird es, wenn man bei F!XMBR auf die Allzweckwaffe des billigen Populismus zurückgreift: den Rassismus. Ironischerweise wird der auch auf diesem Blog zuvor stark angegangene Rüttgers getanzt und gegen die Muränen Rumänen gehetzt, ganz, als ob diese mit Peter Maffay nicht schon gestraft genug gewesen gewären.

„Da hier gerade ein paar Leute aufschlagen und sich an der Überschrift stören: Die so genannte «Rumänen-Gang» ist in Hamburg und auch Berlin bekannt…“ spricht’s und irrt aber doch. Denn natürlich ist die „Rumänen-Gang“ in Hamburg und Berlin wohlbekannt. Ebenso höre ich seit meiner Kindheit von der Rumänen-Gang in Lübeck und auch in Stuttgart haben Rumänen nichts anderes zu tun, als morgens in schwarzen Mercedesen Bettler an durch Marktforschung wohldurchdachten Plätzen abzusetzen und sie abends wieder einzusammeln. Rumänen überall. Freunde von Freunden sehen sie an jeder Ecke, und ich spreche hier nicht von minderwertigen Facebook-Freunden, sondern von echten Menschen!

Durch den einfachen Terminus „Rumänen-Gang“ wird suggeriert, dass das kriminelle Verhalten volksbedingt ist. Zwischen krimineller Handlung und Nationenzugehörigkeit besteht ein kausaler Zusammenhang. Das ist natürlich schändlich und zu verurteilen, und waren die Autoren von F!XMBR bislang einfach nur schlechte Schreiber, die immer dann besonders peinlich wurden, wenn sie sich an Satire versuchten, so sind sie nun auch schlechte Menschen. Schlechte Menschen! Der Begriff „Rumänen-Gang“ ist schlicht abzulehnen und nicht dadurch zu rechtfertigen, dass sie nun einmal unter diesem Namen bekannt ist. Haben wir denn aus den Negerkuss-Kriegen in den 90ern so garnichts gelernt?

Aber nehmen wir an, es entspräääche (Konjunktiv III, mindestens) der Wahrheit. Oder anders: Chris glaubt ja nun einmal daran. Ja, was für ein Arschloch muss man denn dann sein, um diesen Vergleich zu ziehen? Zwischen einem kriminellen, menschenverachtenden Gebahren wie der Bettlerzuhälterei und dem Einbinden eines Flattr-Buttons? Warum wird hier diese abartige Linie gezogen, und Menschen, die einen Flattr-Button einbauen, als zu verachtende Kriminelle gebrandmarkt? Ist das noch rational zu erklären? Nein, es ist nicht rational zu erklären. Es geht um’s billige Draufhauen, um die schnelle Provokation um ihrer selbst willen, getrieben vom Geltungsdrang. Beim Wettbewerb, wie viele Personengruppen man in einem Blogartikel gleichzeitig verhöhnen kann, setzt sich Chris mit diesem Artikel mühelos an die Spitze. Bettler, Rumänen, Blogger und und F!XMBR-Autoren in einem Rutsch ihres Respekts zu berauben, das ist eine Leistung, zu der schon etwas gehört.

Wie kann man denn so etwas schreiben? Wie ist da der Gedankengang? Geht man da durch die Straßen Hamburgs, sieht einen Bettler und denkt sich: „*Pfft* Bettlerosphäre!“ Das ist ja schon logisch ein völlig missglücktes Konstrukt, das da aufgebaut wurde. Die „Rumänen-Gang“ (immer wieder!) zwingt Menschen dazu, zu betteln. Er prangert’s doch selber an dort oben. Aber bei Flattr wird gar niemand gezwungen. Ich komme da ernsthaft nicht mehr mit bei diesem Vergleich.

Es ist einfach, Bloggern Geldgeilheit vorzuwerfen, wenn man, immerhin, selbst keine monetären Ziele verfolgt. Der Kampf um Aufmerksamkeit, vor allem gefochten mit billigsten Mitteln wie diesen, ist vielmal schändlicher, denn er trägt nur zu oft die Flagge der Selbstgerechtigkeit vor sich her. Selbstgerechtigkeit, dann doch lieber Geld. Und deswegen:

Flattr this

via dem unvergleichlichen Internet 😀

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12 Antworten zu Rass!smbr

  1. ovit schreibt:

    hätte ich flattr, ich hätte dir jetzt ein paar geflattrt. so bleibt es halt bei farttr.

  2. Sebastian schreibt:

    Du hast eine Sondergenehmigung.

  3. Steffi schreibt:

    Diesen Vergleich zu ziehen ist schon irgendwie arg krank. Das hat ja weder Hand noch Fuß.
    Flattrn ist ne Möglichkeit, wenn man wenig Zeit hat, einen Artikel zu honorieren, und das ist doch keine schlechte Sache, auch wenn ich selbst ein hinterlassenes Kommetar bevorzuge.

  4. Lotta Gruen schreibt:

    Einfach nur: Danke, Sebastian. Dieser Artikel war aber mal sowas von nötig.
    Hätte ich flattr, würde ich das hier auch flattrn, aber so neumodernen Krimskrams nutze ich immer erst, wenn er schon hoffnungslos veraltet ist. Und das dauert sicher noch ein bisschen.

  5. causa prima schreibt:

    Grundsätzlich gebe ich dir recht, es ist reichlich populistisch Flattr als „Rümänen-Gang“ und die Nutzer als von ihnen dazu gezwungene Bettler darzustellen, der Vergleich hinkt natürlich sehr stark. Mir missfallen an deinem Eintrag aber zwei Fälle von unangemessener Wortwahl, angefangen schon im erste Satz: Betteln um Geld ist „pervers“? Ich habe zwar keinen Duden zur Hand, aber meine Nachforschungen im Netz bestätigten mir, dass es wohl nicht wirklich pervers sein sollte (und ich meine nicht die „sexuelle Perversion“, die man eigentlich immer als erste Bedeutung findet, im wiktionary ist aber eine ganz gute Beschreibung). Zweitens: „Rassismus“ ist auch etwas anderes. Das ist nur ganz normale Diskriminierung, außer du willst die „Rumänen-Gang“ zu einer „Rasse“ erheben.

  6. Sebastian schreibt:

    Du hast Recht, pervers ist natürlich nicht das Betteln, sondern die Welt, die dies erforderlich macht, frei nach Praunheim gesprochen.
    Und nein, ich will natürlich nicht die Rumänen-Gang zu einer Rasse erheben, sondern die unglückliche Verknüpfung des Daseins als Rumäne mit Zugehörigkeit zu einer Gang, so diese denn besteht, als rassische Diskriminierung verstanden wissen. Aber ich denke, meine Aussage als solche kommt gut rüber.

  7. causa prima schreibt:

    Ich denke auch, ich musste das nur aufgrund meines Besserwisser-Zwangs unbedingt los werden.

  8. Arno schreibt:

    Wenn Peter Maffay breitbeinig über den Boulevard schreitet, sodass die enge Rockerlederbuxe knarzt, einen fröhlichen Gassenhauer von Ceaușescu auf den Lippen und das Muttermal glitzert in der Sonne — das ist dann der Rumänen-Gang.

    Ich würde ja jetzt auch noch was zu dem F!XMBR-Text schreiben, aber der ist mal wieder so panne, da kann ich einfach nix mehr zu sagen. Ach, vielleicht doch: Es ist nichts Verwerfliches daran, zu versuchen, mit dem was man liebt, zum Beispiel Bloggen oder Werke anderer Art ins Netz zu stellen, leben zu können. Was F!XMBR da seit Jahren blöken, nämlich „Bloggen sollte immer ein schönes Hobby bleiben“ und „Journalisten sind keine Blogger“ und „Werbung ist Mord“ etc. pp., ist von einer keimigen Selbstgerechtigkeit, die auf keine Kuhhaut geht. Schon Konfuzius hat gesagt: Hüte dich vor Leuten, die die einzige Wahrheit zu wissen glauben, selbst wenn sie manchmal recht haben. Irgendwann werden sie größenwahnsinnig, nerven nur noch und das ist dann extra bitter. Okay, Konfuzius hat das nicht gesagt, aber es stimmt. Ich lese F!XMBR nicht mehr, weil ich das ständige Fishing vor Attention, das konsequente Gegen-Alles-Sein und die zeitweise nur aus Floskeln, Allgemeinplätzen und pseudoniveauvollen Idiomen bestehende Sprachgefüge („ob“ statt „wegen“, „Realsatire pur“, „ich bin sprachlos“ usw.), insbesondere von Chris, einfach nicht ertrage. Obwohl ich politisch weitgehend mit ihnen auf einer Wellenlänge bin, kann ich mir das nicht mehr antun.

  9. Markus schreibt:

    Ich muss sagen, ich habe F!XMBR eigentlich bisher meistens recht gerne gelesen, auch wenn in letzter Zeit die Artikel immer schlechter wurden. Aber da war ich echt erstmal baff. Du hast recht, der ganze Artikel, wie einige andere auch schon vorher, trieft nur so vor überheblicher Selbstgefälligkeit. Man kann es sich schon fast vorstellen, wie Chris an einem Bettler an der Straßenecke vorbeigeht und ihn anschnauzt „Du bist doch auch einer von diesen Rumänen! Wie diese flattr-Typen! Geh erst mal arbeiten und belästige mich nicht!“ (Ok, das ist vielleicht etwas hart, aber es soll ja der Veranschaulichung dienen.) Das aggressivste Verhalten gegenüber den Ärmsten der Gesellschaft legen oft gerade die Reichsten an den Tag. Und da er offensichtlich kein Geld mehr benötigt (lasst mich raten: er macht irgendwas mit Medien?), werden alle, die die Möglichkeiten, die sich bieten, etwa bei ihrem Blog nutzen wollen, als unredlich dargestellt.
    Er kann ja ruhig flattr kritisieren, auch hart. Aber der Vergleich geht ja überhaupt nicht auf, nicht im geringsten. Wer sollen denn die dunklen Hintermänner z.B. sein, die hinter den „Banden“ stecken usw.?
    P.S.: Ob bei F!XMBR – mal wieder – kritische Kommentare zensiert werden? Sind auffällig wenige da …

  10. bullion schreibt:

    Mal wieder wäre mir dieser blogospährische Fauxpas völlig entgangen und um einmal Feuer ins Öl zu gießen, habe ich es mir nicht nehmen lassen und gleich einmal geflattrt… muahaha! 😀

  11. Sebastian schreibt:

    Vielen Dank auch 🙂

  12. Boandlkroamer schreibt:

    Auch wenn ich etwas spät bin: Ich schließe mich vollumfänglich Lotta Gruen und Arno an. Neben einem expliziten DANKE! für den Artikel möchte ich noch hinzufügen, dass sich selbst die Gralshüter der toitschen Web-Correctness letztens nicht entblödet haben, einem Rassisten und Sexisten wie Pete Steele mit einem Nachruf-Post zu huldigen…(aber die Mucke it geil, gell?!?)

    PS: Was Markus erwähnt ist mir – gerade in letzter Zeit – auch aufgefallen: Die Kommentare bei fragwürdigen Artikeln sind recht schnell geschlossen bzw. entsprechend kritische kommen offenbar häufig aus unerfindlichen Gründen gar nicht erst an…

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