Was ich an meinem Beruf mit am meisten mag, sind vage Rechercheanfragen. Das meine ich nicht im Scherz, sondern es macht mir tatsächlich Spaß, anhand weniger Stichworte unter Verwendung aller mir zur Verfügung stehender Mittel (überraschend oft) das gesuchte Buch zu finden. Mit meinem über die Jahre erworbenem Geschick wäre ich bestimmt ein bereicherndes Mitglied der OSINT-Community und könnte Kriegsverbrechen aufklären.
Neulich war ich aber tatsächlich überfordert, als ich ein Bilderbuch suchen sollte mit den wenigen Parametern „Panorama und es kommen Tiere darin vor.“ Tiere kommen eigentlich in jedem Bilderbuch vor (außer diesen komischen französischen, die so abstrakt sind und z. B. die Geschichte eines Blattes im Herbst erzählen, die Art Bilderbuch, die vor allem den Erwachsenen gefallen soll). Trotzdem habe ich natürlich ein wenig rumgesucht und ein tolles Panorama-Bilderbuch gefunden, in dem es im weiteren Sinne um Tiere geht. Es handelt sich um das 1895 erschienene Werk „Die große Wurst“ von Lothar Meggendorfer.
Wikipedia weiß, dass Meggendorfer als einer der innovativsten Köpfe bei der Entwicklung der Pop-Up-Bilderbücher gilt, und wenn auch nicht der ursprüngliche Erfinder war, so doch zumindest die Kunst perfektionierte und viele neue Spielereien einführte. That’s the german engineering.
Ich erinnere mich außerdem dunkel, dass uns seine Satierezeitschrift Meggendorfer Blätter im Studium der Formalerschließung als Aufgabe gestellt wurde. Also: „Schreibe als Bibliothekar die Daten der Zeitschrift so auf, dass sie auch in hundert Jahren noch wiedergefunden wird, und zwar auch dann, wenn sie sich zwischendurch umbenennt“ etc. Das könnte ich heute nicht mehr. Ach und außerdem verleiht eine Movable Book Society (!) den Meggendorfer Prize for best Paper Engineering. Was es alles gibt.
Die große Wurst jedenfalls ist ein sehr lustiges Bilderbuch, das als Scan der Staatsbibliothek zu Berlin gelesen werden kann. (oder in Form von Bilddateien oder als pdf heruntergeladen – die Staatsbibliothek macht das gut.)


In Meggendorfers Wurst geht es um Grunde nur darum, dass aus allen umliegenden Dörfern um Königsberg genug Fleisch rangekarrt wird, um ein Fest mit einer großen Wurst zu feiern (und dem Brauer trotz seines schlechten Bieres ein kleines Geschäft zu ermöglichen).
Nun war ich aber neugierig, ob wir dieses Buch nicht zufällig selbst auch haben, als Teil einer Klassikersammlung, oder erwähnt in Sekundärliteratur oder sonst irgendwie. Was ich wiederum fand, war aber noch drolliger: Es gibt eine Episode der Schildbürgerstreiche der Augsburger Puppenkiste, die ebenso „Die große Wurst“ heißt, in jener die Wurst aus der Not ge… wurstet wird.
Auf den Stadtmauern Schildas wird Gras gefunden, und um die Befestigung zu retten, soll eine Kuh die Mauer hochgezogen werden, um das Gras wegzufressen. Leider geht dieses Vorhaben schief, und zwar so makaber, dass ich es mit dem Handy vom Fernseher abfotografiert habe:



„Erst erdrosselt, dann zerschellt“, wie der Stadtschreiber erzählt, und wenn nun die Stadt schon ungeschützt bleibt, so will man zumindest vorsorgen, indem man aus der Kuh eine Wurst macht, und am besten auch gleich noch ein paar Schweine dazupackt. Und so wird die Wurst größer und größer, so dass irgendwann die Stadt in zwei Hälfte geteilt ist, wie in dieser einen Schlumpfgeschichte, nur halt mit einer großen Wurst.

Die Mäuse fressen’s am Ende weg, es ist lustig anzusehen, daher empfehle ich jedem, einmal zur nächsten Bibliothek zu gehen und sich die DVD „Wir Schildbürger – Die komplette Serie“ auszuleihen.
Was ich aber noch sagen wollte ist, dass die Augsburger Puppenkiste ein aktuelles Kabarettprogramm hat, in dem man sich Figuren wie Scholz, Özdemir und Merz auch als hölzerne Figuren ansehen kann. Von den echten Politikern nicht zu unterscheiden 🙂 🙂 🙂 (Vorsicht Satire)