Ich habe neulich in einem Nebensatz aufgeschnappt, dass die Online-Jugendbeilage der Süddeutschen, jetzt.de, einen Reboot erfahren musste, jawohl, musste. Es ist nämlich so: Mit inzwischen 35 Jahren bin ich der Seite inhaltlich vielleicht wirklich entwachsen, von alleine gehe ich da nicht mehr drauf. Höchstens noch, wenn sich die Freundin mal wieder fürchterlich über die kreuzdummen Jungen- und Mädchenfragen aufregt und ich meine Jungsperspektive dazu geben will, denn wir Jungs, verdammt, Männer, sind eben doch ganz anders. Ne?
Und jetzt schau ich mir die Seite an und denke, so sehen die Jugendseiten jetzt (ich muss dieses Wort wirklich vermeiden lernen) wohl aus. Eine wie die andere. bento.de und vergessen, wie die alle heißen. Das passt, weil auch die Jugendlichen mittlerweile alle gleich aussehen.
Alles ein wenig größer, übersichtlicher, schneller und ganz toll für mobile Geräte. Kann man ja ruhig machen.
Aber mein Punkt ist ein anderer. jetzt.de war Anfang der 2000er, als ich mit Anfang 20 voll in der Zielgruppe war, für ein bestimmtes Publikum eine Offenbarung. Nämlich für diejenigen, die bloggen würden, wenn sie Blogs gekannt hätten. Auf jetzt.de fanden sich Dutzende, dann Hunderte, dann Tausende Mini-Episoden junger Leute, die den damaligen, wirklich unschuldig wirkenden und unaufgeregten Zeitgeist wiederspiegelten. Und jeder durfte dort schreiben. 2001 hatte „Jeder darf dort schreiben“ noch einen verheißungsvollen, positiven Klang. Es funktionierte auch. Es waren zu 90 % Alltagsepisoden, in denen IMMER IMMER IMMER Bandnamen vorkamen „Ich ging Tocotronic-hörend Richtung Mensa, drüben auf dem Hügel, als ich Sex brauchte“ so ungefähr. Und diese Texte standen gleichberechtigt neben denen von z. B. Benjamin von Stuckrad-Barre oder, naja halt auch smudo, gleiche Präsentation, gleiche Profilseite, alles.
So wuchs in den letzten 15 Jahren, und das ist mein Punkt, eben auch ein Archiv der Jugendkultur. Dort stehen Texte, die 19-Jährige 2001 verfasst haben, neben denen, die 19-jährige 2006 und 19-jährige 2013 verfasst haben. Das ist ein Schatz, den man als Süddeutsche pflegen und auf den sich die Restwelt stürzen sollte.
Und das neue Design hat nicht einmal eine Suche. Wenn ja, finde ich sie nicht. Hashtag Ironie. Ich habe Freunde, die haben sich über jetzt.de kennengelernt und mittlerweile ihr zweites Kind. Wenn sie lesen wollten, wie das damals eigentlich war – das geht erstmal gar nicht. Offiziell.
Inoffiziell aber hatte ich bereits im Dezember einen kleinen Nostalgietrip, der mich dazu verleitete, irgendeinen alten jetzt.de-Text zu verlinken.
Und hier kommt eben doch noch die gute Nachricht: Der Link funktioniert nach wie vor und führt auf das alte jetzt.de. Dort wird man zwar aufgefordert, zum neuen zu schwenken. Aber das muss man ja nicht. Von hier aus lässt sich nämlich das Archiv durchforsten und in die Vergangenheit reisen. Am besten einfach den Namen einer Band eingeben, die man damals ganz besonders toll fand und unten auf die letzte Seite, und damit auf die ältesten Einträge, gehen. Dann finden sich eben heute undenkbare Texte wie
Am Abend noch zum Mediamarkt, weil ich dieses Lied von Tobi und das Bo im Kopf hatte. „Wir sind die Besten von Norden nach Süden, von Osten nach Westen…“ Ein Freund hat es mir mal auf Kassette aufgenommen. Leider kurz vor dem Ende, sodass ich bis heute nicht weiß, wie der Song ausgeht. Und dann stand ich da vor dem Regal. National stand darüber. Und Tobi und das Bo waren einfach nicht zu finden. Unglaublich. Jeder Schlagersänger, der zwischen 1965 und 1989 einen Hit hatte, bekommt sein eigenes Fach. Selbst Tocotronic stehen mit drei Platten ganz banal unter T. Ohne Namensschild. Seltsame Politik. Hab’ mir dann eben die Chemical Brothers gekauft (standen unter Rock/Pop). Und am Abend? Am Abend rief er an. Und hat mich völlig erwischt. Weil ich absolut nicht damit gerechnet hatte. Und da stand ich in meinem Zimmer am Telefon, konnte nur „öööh“ und „ääähm“ sagen, und irgendwann „du Arsch!“ und dann lachen, schweigen und wieder reden. Und jetzt? Jetzt weiß ich auch nicht. Aber morgen gehe ich mich verlieben.
Und was wurde aus zoe1981? In ihrem ersten Eintrag vom 16.08.2001 geht es ums Verliebtsein.
Es ging um meine Unsicherheit in Bezug auf Oliver.Manchmal denke ich schon, dass ich Chancen hätte, welcher Mann enschuldigt sich denn schon für nen Kuss? Aber dann kommen wieder Momente, da bin ich sicher, dass er mich nicht mag.
Ich weiß, es muss weitergehen. Aber wie und wann?
PS: Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es auf jetzt.de seinerzeit auch einen Tocotronic-Titelgenerator gab, zu einer Zeit, in der die Titel eben noch so waren wie sie damals waren. Davon ist im gesamten Internet überhaupt keine Spur mehr zu finden. Spinne ich? Hinweise bitte in die Kommis #slaminator
Den Tocotronic-Titelgenerator kenne ich noch, denn damals ging mir Tocotronic (leider) noch ziemlich am Arsch vorbei und die seltsamen Ergebnisse verstärkten das Desinteresse eher als das sie es abbauten. Aber was daraus geworden ist…?
Ich habe tatsächlich noch zwei Screenshots aus dem jetzt.de-Tocotronic-Titelgenerator gefunden. http://imgur.com/a/62fqu
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