Eine Stunde auf’s Ohr hauen

Eine unser aller größten Sexfantasien ist es, auf offener Straße gefragt zu werden, was wir gerade hören. Aber hat das schonmal jemand gemacht? Die meisten Menschen würden sicher gerne Auskunft geben („Felix Jaehn“, „Robin Schulz“), aber ich würde mich das trotzdem nie zu Fragen trauen. Yaddayadda Pointe, keine Ahnung.

Absatz, warum ich nicht mehr so viel blogge.

Zum Glück wurde ich zumindest auf Facebook gefragt, was ich derzeit für Podcasts höre. Endlich werde ich das, und noch ein paar Gedanken dazu, los. Das passiert in alphabetischer Reihenfolge, kurioserweise haben die größten Podcast-Feinde Deutschlands damit den ersten und den letzten Eintrag inne. Das ist aber keine Wert-Reihenfolge.

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Den Anfang macht Fefes und Frank Riegers Alternativlos. Mit einer liebgewonnenen und notwendigen Unregelmäßigkeit (in diesem Jahr erschienen zwei Folgen, die aber innerhalb einer Woche) reden die beiden über „Politik, Technik, Verschwörungstheorien und was uns sonst noch so in den Sinn kommt.“ Fefe weiß man ja, Frank Rieger ist so der Normalo, der ihn ein bisschen einfangen muss. Manchmal ein bisschen verspult, aber konsensfähiger, als die beiden wohl gerne hätten. Ich glaube, zum Hören setzen sich manche Leute Anonymous-Masken auf. Trotzdem immer mal wieder ein Highlight.
Anspieltipp: Folge 20 mit Frank Schirrmacher über den politischen Diskurs im Wandel der Zeit. Früher war ECHT alles besser.

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Deutschlandfunk – Das Feature. Schöne Themenvielfalt, es kann ALLES kommen. Ein wenig anstrengend sind diverse Klangexperimente, die oft eingestreut werden, um das ganze künstlerisch noch wertvoller scheinen zu lassen. Aber die Rubrik ist eine tolle Spielwiese für Redakteure, die obskure Nischen ausleuchten wollen. Das vielleicht beste Feature der letzten Jahre, Köln, Kalk Ehrenmord, handelt vom YouTube-Video zu Eko Freshs Song.

Autor Sascha Verlan beschäftigt sich darin mit den Kommentaren drunter, mehr noch, er beschäftigt sich mit den Kommentatoren. Wer weit genug runterscrollt (das war vor zwei Jahren, man muss vermutlich mittlerweile seeehr weit runterscrollen), sieht, dass er mitredet, interessierte Fragen stellt, im Feature geht er darauf ein, was die Jugendlichen sonst so abrufen, lässt sie zu Wort kommen, spricht Widersprüche direkt und klug an.
Anspieltipp: Schwierig, weil ja leider diese unsägliche Depublizierungs-Politik schnell alles rausschmeißt. Das dümmstdeutsche Ergebnis der Kompromisspolitik sagt, dass öffentlich-rechtliche Sender ihre aufwendigen und tollen Sendungen nach einer Weile offline nehmen müssen, damit die privaten Sender die Chance haben, ihr Kulturangebot frei von staatlicher Konkurrenz anzubieten. Auch nach Jahren noch unfassbar, zumal die Zeiträume zwar irgendwo geregelt, aber so vertrackt sind, dass es wie Willkür anmutet. Ich wollte beispielhaft die Folge „Popkultur – Trash – Eine Liebeserklärung“ verlinken, aber die ist nicht auffindbar. Weit ältere Folgen sind es noch. Alternativ gibt es ein Manuskript der Folge Billige Träume? Eine kleine Geschichte der Heftromane in Deutschland. Aufgemacht wie ein Hörspiel, in dem ein fiktiver Sammler einer Reporterin seine Schundheftsammlung zeigt. Then it takes a dark turn…

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How did this get made ist ein amerikansicher Film-Podcast mit gewöhnungsbedürfigter Werbung für Matratzen zwischendrin. Teils sehr unterhaltsam, wobei ich die Live-Folgen in der Regel meide, weil ich eine Aversion gegen enthusiastischen Jubel amerikanischen Publikums habe. New York! Woohoo! Die haben ein gutes Auge und stellen die richtigen Fragen, z. B. warum dieser eine Mortal Kombat-Dämon im Hintergrund ein Holzfällerhemd trägt.

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Anspieltipp: Doch eine Live-Folge: Die Diskussion zu Face off (- Im Körper des Feindes) ist sehr lustig. Und schon wegen des WTF-Faktors: Unser Lieblings-Orphan Black Tatiana Maslany ist zu Gast, um Masters of the Universe zu besprechen.

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Den ganzen Kram von der lieben Alexandra Tobor verfolge ich seit Urzeiten und kenne sogar noch ihr allererstes Blog, von dem sie neulich in einem anderen Podcast erzählte, dass den von den aktuellen Zuhörern sicher niemand mehr kennt. Da täuscht sie sich aber. Egal! Derzeit ein bisschen im Ruhemodus ist ihr Podcast In trockenen Büchern, in dem sie über interessante Sachbücher monologisiert und sie mit eigenen Erfahrungen und Ansichten zum jeweiligen Thema anreichert. Ich schwöre, hier sind’s gerade nur 10 Grad in meinem Zimmer, weil ich letzte Woche meine Heizkostenabrechnung bekommen habe, aber beim Gedanken an diesen Podcast wird mir doch wieder warm.
Anspieltipp: Introversion, die einzige Besprechung zu einem Buch, das ich sogar schon vorher kannte, und das mir geholfen hat, die ruhige Natur, die ich bin, als Normalzustand anzuerkennen und das Gute daraus zu ziehen. Büdchen, weil das nicht, wie zu befürchten wäre, eine „Wir haben noch Naschtüten am Kiosk gekauft“-Facebookseite in Buch- oder eben Podcastform ist, sondern eine wirklich interessante Geschichte über die klassischen Büdchen und wie es überhaupt zu ihnen kam.

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Insert Moin ist ein allmorgendlicher Spielepodcast, bei dem man sich durch die schiere Masse dann doch eher die Rosinen rauspickt, anstatt sich jede Folge anzuhören. Grundsympathisch der Ansatz, das ganze seriös aufzuziehen, die Themen ernst nehmend, und über den Tellerrand guckend. Mit ca. 30 Minuten reicht ein Podcast ziemlich genau für einen Arbeitsweg. Perfekt!
Anspieltipp: Mad Max hat eine schöne Euphoriekurve. Anfangs spürbare Begeisterung über einen guten Titel, wird den Jungs on the road, haha, klar, dass das Spiel eigentlich gar nicht so viel zu bieten hat.

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In der Medien-Kuh gehen die Podcaster Dominic Hammes und so ein Körber die Ereignisse der TV-Landschaft durch und nutzen dabei oft Wörter wie Format statt Sendung, außerdem siezen sie sich gekünstelt, was bestimmt irgendwann mal einleuchtend erklärt wurde, aber mich lange Zeit vom Hören abgehalten hat. Man versucht sich an diesem distanzierten Kienzle & Hauser-Humor, nur halt ohne den Humor.
Die Rubrik mit dem Titelschutzanzeiger ist toll, für mich als fernsehinteressierten lohnt das Hören… moment, vor meiner Wohnungstür wird gerade die Dachbodenluke runtergelassen, beim letzten Mal ging sie nicht wieder hoch und ich musste tagelang druntendurch kriechen… was ist denn da los?

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Methodisch inkorrekt Kennt ihr diesen Nerdhumor, nicht den smarten, sondern diesen leicht fremdschämigen aus dem Comicbuchladen oder Wacken, mit dieser komischen Lache? Dieser Humor aus Raumschiff Gamestar-Zeiten? Wegen sowas höre ich den Podcast hier nur noch sehr sporadisch, wenn mal gar nichts anderes mehr da ist. Leider, denn die Idee, sich wissenschaftliche Themen der letzten Zeit zu krallen und sich gegenseitig zu erklären, so dass auch ich es verstehe, ist ja erst einmal gut. Also lehrreich ist er, das kann man sagen.
Anspieltipp: Probiert mal die aktuelle, vom Aufbau tut sich da nicht so viel.

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Der Plauschangriff. Die Oma unter den Spielepodcasts. Und so klang dann auch die erste Folge nach dem Reboot (nachdem Game One eingestellt und Rocket Beans TV aufgebaut wurde). Ein eklig-schnupfiges Schniefen und miese Tonqualität waren der Einstand zur Rückkehr des meisterwarteten Podcasts der, und an an dieser Stelle muss ich immer lachen, Gamerszene. Actually, it’s about audio quality in gaming journalism. Das wirkte sehr traurig für den Stand, den der Podcast eigentlich mal hatte und die Erwartugen, die man dran gesetzt hat. Hat sich zur zweiten Folge dann doch wieder erholt. Bleibt unter interessierter Beobachtung, auch wenn ihr 24/7-Internetsender gezeigt hat, dass die Diskussionsluft bei den Leuten ziemlich dünn wird, wenn es um was anderes als so Nerdkram geht. Vielleicht werde ich auch zu alt für Nostalgie.
Anspielttipp: Keine Ahnung, ob es die alten Folgen noch irgendwo gibt. Es sind gerade mal drei neue Folgen draußen. Antwort: Jede außer die erste.

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Der Vergangenheitsbewältigungspodcast Radio Nukular ist ja sowas wie der Überraschungshit der Podcastszene (gibt es sowas)? In einem Jahr haben sie das geschafft, was den Plauschis von Game One in 10 nicht gelungen ist: Ein Resident Evil-Cast und eine sehr spaßige Livetour (der Auftritt in Hamburg wurde in der zweiten Hälfte richtig gut, da hatte sich das Publikum endlich ein wenig beruhigt und es konnte mal zwei Minuten am Stück Programm gemacht werden – ich habe sogar eine Wrestlingkarte abgegriffen

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). Das ganze Nostalgie-Ding sehe ich ja oft eher kritisch, aber Medien-KuHammes, Rockstah-Max und …-Chris machen das sehr, sehr unterhaltsam, mit Herz und Ernst nur dort, wo er angebracht ist, nämlich:
Anspieltipp: Durch die sehr breite thematische Aufstellung kommt auch einfach mal ein Thema wie Irrationale Ängste, Ticks und Macken, bei dem offen über selbige gesprochen wird. Kranke Sachen gibt es! Aber trotzdem lieb. Ganz besondere Folgen (nämlich besonders lang, haha): ZivildienstNebenjobs und Esskram aus der Kindheit. Die Antwort zur im Podcast offen gebliebenen Frage: Tritop oder Quench. Bitteschön.
Derzeit mein Lieblingspodcast, wohlwissend, dass mir die Überdrehtheit in einiger Zukunft doch zu anstrengend werden wird.

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Dann auch gleich Rumble Pack, der kleine Schwester-Podcast von Radio Nukular, in dem aktuelle Spiele besprochen werden, von denen ich nichts verstehe. Mit Witcher 3 sitze ich seit August an einem einzigen Spiel, und es hört einfach nicht auf. Aber man hört Rumble Pack eh wegen der Shpock- und Gamestop-Anekdoten. Es ist schon sehr lustig, aber auch politisch inkorrekt, jetzt nicht im Nazi-Sinn, aber ihr könntet durch problematische Begriffe getriggert werden! Ich find’s super.
Anspieltipp: Damit hätte ich gar nicht anfangen sollen, das macht bei den meisten Podcasts überhaupt keinen Sinn. Halt immer der aktuelle, geht ja um aktuelle Spiele. Es gab ein Adventure Time-Special, um mal irgendwas zu verlinken.

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Sanft & Sorgfältig mit Jan Böhmermann und Olli Schulz. Damit wisst ihr ja auch schon bescheid, was soll ich da noch schreiben? Es ist eine sonntägliche Radiosendung, die trotz gegenteiliger Bekundung keinem großen Schema folgt. DOOOOOMMMM!!!!!!!!!!!!!!!! <— me bein random again _^ hehe…toodles!!!!!
Böhmermann kommt in meinem Netzumfeld so gar nicht an, aber ich bin Fanboy. Es ist schön, einem jungen Medienmacher meiner Generation über die Jahre beim Bräsigwerden zusehen zu können, bei Gottschalk war ich ja noch viel zu jung. Ich bin gespannt. Olli ist von der Straße, die Sendung ist also auch sozial relevant.

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Mit The Dollop wird offenbar, wie unglaublich viel besser Amerika Unterhaltung kann als Deutschland. Gibt es irgendeinen deutschen Stand up-Comedian? Der auch gut ist? Und weiß, was Podcasts sind? Die Antwort ist jeweils nein. Und dann ist da The Dollop: Dave Anthony liest seinem Kollegen Gareth Reynolds zwei Mal pro Woche (!) eine Begebenheit aus der amerikanischen Geschichte vor, ohne dass Gareth vorher weiß, worum es geht. Kommentiert und gewundert wird dann on the fly. Dabei geht es selten um Großereignisse, sondern um skurrile kleine Ereignisse, die irgendwann mal in den Nachrichten waren, aber nicht unbedingt ins kulturelle Gedächtnis gewandert sind. Die Geschichten sind meistens so irre und lehrreich, dass dies alleine schon den Podcast rechtfertigt. Wie daraus jedesmal ein vollwertiges Comedy-Programm improvisiert wird, ist dann noch atemberaubend. Ganz dringende Empfehlung!
Anspieltipp: Wusstet ihr, dass es in Amerika mal eine Nilpferdplage gab? Dass der Erfinder des Heimlich-Manövers zu den bösesten Scharlatanen aller Zeiten gehört? Oder dass es früher schonmal einen Spiderman gab, der allerdings alles andere als ein Held war? Und warum liest sich das so wie ein Werbespot für eine Bücherei?

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Honourable mentions: Mir wird das zu lang, es gibt aber noch ein paar. Holger Kleins Wrint-Verse wächst und wächst. Verschiedene Podcasts zu verschiedenen Themen, von Wein über Kochen und Fotografie zu Reisen. Der sich sehr rational gebende Holgi verhärtet in seinen Ansichten zusehends, was nicht so schlimm wäre, würde er es nicht immer lauter abstreiten. Selbst als fahrradfahrendem Atheisten werden mir diese Themen bei ihm zu anstrengend. Wirklich gut sind aber die Wrintheit-Sendungen mit Alexandra Tobor und die Wisschenschaftscasts mti Florian Freistätter.
Welcome to Night Vale hat mich im letzten Jahr dermaßen beeindruckt, dass ich die bis dato erschienenen etwa 50 Episoden praktisch am Stück gehört habe. Danach hatte ich auch genug, zumal die Geschichten aus dem lokalen Radiosender einer fiktiven Kleinstadt doch immer bemühter „andersartig“ und tumblriger wurden. Vielleicht ist es inzwischen besser, ich werde es vielleicht nie erfahren. Die ersten soundsoviel Folgen sollte man sich aber definitiv anhören, wenn man smarten Humor, Twin Peaks, eine düstere Atmosphäre und Americana-Atmosphäre mag.
Wir müssen reden ist wie Alternativlos, nur genau andersrum. Will im Diskurs immer oben mitschwimmen, leider reichen die Gedankengänge oft nicht so weit. Max Winde übernimmt hier den Job von Frank Rieger als ruhiger Part, der Mspro wieder einfangen muss, wenn der Richtung Sprallotown, Einwohnerzahl: 1 reitet. Die beiden Casts sind zwei Seiten der selben Medaille, auch wenn sie es nicht hören wollen. Von außen betrachtet ist das dann sehr unterhaltsam. Wie zwei Onkel auf dem Familienfest, auf dem einer von Verschwörungen faselt und der andere ein peinliches Alkoholproblem hat, das von allen lächelnd totgeschwiegen wird.

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