Wie ich zum ersten Mal seit zehn Jahren Fahrrad fuhr

Neulich kamen wir vollbeladen vom Einkauf zurück, und ich wohne in einer unendlich langen und langweiligen Straße, wie gesagt, auf ihr leben Krähen, so ruhig ist es. Dort entlang zu gehen ist jedesmal die reinste Tortur, weil man bis zum Horizont sieht und man an Dutzenden baugleicher Häuser vorbeikommt. Für junge Paare ist diese Straße der ultimative Test: Wer es durch sie schafft, sich aber trotzdem etwas zu sagen hat, schafft auch alles andere.
An dem Tag (also neulich, s. o.), wurde es aber doch kurzzeitig aufregend. An uns rannte ein Mädchen vorbei, dann etwas langsamer ein Junge mit einem Skateboard und dahinter ein wonneproppigeres Mädchen auf einem Fahrrad, sehr außer Atem. Während die ersten beiden Kinder nicht so im Stress wirkten, war das dritte leicht in Panik und sagte erst gar nichts, sondern sah uns fragend an. Dann doch: „Eeeeeh….“ – „Was ist denn los?“ – „Der da will sie schlagen!“ – „So richtig ernst?“ – „Ja!“ Und dann standen wir da ein wenig hilflos rum. Die anderen beiden waren schon wieder 100 Meter weiter und wenn ich jetzt einfach hinterher renne, hätte ich mich lächerlich gemacht, gesprintet bin ich seit 15 Jahren nicht mehr. Außerdem: Erwachsener Mann rennt fremden Kindern hinterher, ich weiß nicht. Freundin wusste auch nicht. Aber: Dann lag da ein umgefallenes Fahrrad, so ein 24er-Mädchenfahrrad. „Gehört das ihr?“ – „Ja.“ Also tat ich das nächstlächerliche, ich schwang mich auf das viel zu kleine und viel zu bunte Fahrrad, um den anderen zu folgen. Weil, selbst wenn alles ganz anders ist, zumindest muss das Mädchen dann nicht mehr den ganzen Weg zurücklaufen, um sein Fahrrad zu holen. Ich fuhr nicht nur im Affenzahn, sondern im Affengebiss, vielleicht kam es mir auch nur durch das kleine Fahrrad so vor, jedenfalls hatte ich die beiden schnell eingeholt und in die Runde gefragt, was denn eigentlich los sei. Dann kam das ganze Gerede von „Sie hat mich den ganzen Tag geärgert und fertig gemacht“, „der soll mich einfach in Ruhe lassen“, „letztes Mal hast Du aber“, ich habe irgendwann abgeschaltet. In eine Schlägerei wäre das nicht ausgeartet zwischen denen, und wenn wüsste ich nicht, wer gewonnen hätte. Danke für nichts, Panikmachekind.
Dem Mädchen gab ich sein Fahrrad zurück, da hat sie erst gemerkt, dass ich auf eben jenem angeradelt kam, sich bedankt und fuhr zurück in die Richtung, aus der alles entsprang. Mit dem Jungen musste ich mir noch ein Stück Weg zurück teilen. Wie gesagt ist dies die langweiligste Straße der Welt, aber immerhin hatten wir uns auch etwas zu sagen. „Seid ihr in einer Klasse?“ – „Ich werde die so haten, so fertigmachen!“ – „Schlaf erst nochmal drüber.“ – „Ich werde sie nicht schlagen, Mädchen schlägt man nicht. Aber ich kenne eine, die macht das für mich, die ist stärker als die meisten Jungs“ usw. aber irgendwann bog er ab und am Horizont wartete meine Freundin mit den Einkaufstaschen und ich dachte, das war ja mal eine ganz alberne Heldennummer, bei der man seine Freundin mit x Taschen im Nieseldies stehenlässt.

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Eine Antwort zu Wie ich zum ersten Mal seit zehn Jahren Fahrrad fuhr

  1. MuGo schreibt:

    Herrlich 🙂

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