Malte Welding: Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte

Leider kenne ich Tommy Finke nicht persönlich, weshalb ich immer alleine zum Postamt gehe, wenn ein Paket für mich abgegeben wurde. Immerhin sind manchmal die erstaunlichsten Dinge darunter. Vor kurzem bekam ich ein Buch zugeschickt. Es ist von Malte Welding, dem „Paartherapeuten der Generation 2.0“, wie die Werbung verspricht, und hat einen etwas doofen Namen: Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte (bzw. haha: auch nicht in Mitte – Berlin, Web 2.0 usw). Was aber zunächst klingt wie ein Programm von Mario Barth, entpuppt sich als Erbsatz der Familie Welding, der in Erinnerung geblieben ist. Malte Welding (v.n.a. ein um Sachlichkeit bemühtes Welding) erzählt überhaupt viel und anekdotenreich. Das hat mir nach ein paar Seiten meinen Einleitungswitz versaut. Denn schon am Anfang schreibt er, dass er keine Ratgeber mehr lesen kann – ein Satz der ausnahmslos in jedem Ratgeber steht.

Und dann muss man erkennen, dass es sich überhaupt nicht um einen Ratgeber handelt. Es gibt zwar eingesprenkelte Ratgeberkapitel, die unter Überschriften stehen wie „Daten sie kostenlos“ („…denn das Geschäftsmodell eines Dating-Portals ist nicht, Leuten dabei zu helfen, einen Partner zu finden. Das Geschäftsmodell besteht darin, für die Suche bezahlt zu werden.“) oder „Sie sehen aus!“ („Wenn Sie von flüchtigen Bekannten problemlos auf der Straße erkannt werden, sind Sie vermutlich ein wenig hässlich“). Es ist in erster Linie aber ein Rundgang durch einen durchaus beachtlichen Anekdotenfundus, und die Themen hängen irgendwie mit der „Krise der Liebe“ zusammen. Das letzte Mal, dass jemand über Deutschlands Liebeskrise schreiben wollte, kam eine Wichsvorlage für Pädophile dabei herum. Sachbücher, die dem Volk erzählen wollen, was es falsch macht, sind ohnehin mit Argwohn zu betrachten.

Aber, so viel sei jetzt schon verraten, „Frauen und Männer…“ ist ein durchaus lesenswertes Buch. Nun mag man von Weldings Angewohntheit, bei jeder sich bietenden Gelegenheit über einen ehemaligen Chef, der den ganzen Tag nur Legovideos guckt und ansonsten alle ausbeutet, halten, was man will, aber schreiben kann der Mann ja. An den wenigen Stellen, an denen er tatsächlich ein wenig Rat verteilt, nimmt er sich nicht all zu ernst. Gott sei dank, denn: „Auch Ratschläge sind Schläge“ (alte Pädagogenweisheit). Und lesen sich die vielen kleinen Anekdötchen ein wenig wie Ildiko von Kürthy, sind die Konklusionen, die Welding aus ihnen zieht, nachvollziehbar, geistreich und „zum Schmunzeln“.

Glaubt man gar nicht, was der Wendler Welding alles für Menschen kennt. Die haben alle fürchterlich normale Namen wie Karsten oder Eva, man vergisst sofort, wer wer ist, und sie sind wahrscheinlich alle mehr oder weniger ausgedacht – ich erinnere mich dunkel, dass Welding vor etlichen Monaten rumgefragt hat, ob jemand was lustiges für sein Buchprojekt zu erzählen weiss. Nun treten die gesammelten Geschichten jedenfalls anhand kurzer Episoden auf, die von jeweils einer Person handeln. Jede hat ihren Unique Sex Point. Es gibt den studivz-Girly-Stecher, der sie alle mit dem Angebot, einen Kakao zu trinken, abschleppt oder den Schwulen, der nie Sex hat, weil er sich halt nicht in Penisbilder verlieben mag, die ihm zugeschickt werden. Da treibt’s jeder mit jedem, und Welding erzählt dann, warum sie so handeln, wie sie handeln. Untermauert werden seine Argumentationen von amerikanischen Wissenschaftlern, was das Sachbuch auf ein solides Fundament stellt.

Hochgradig unterhaltsam sind auch zahlreiche Zitate, die das Buch durchziehen, und die allesamt von Koryphäen ihres Fachs sind. Genannt seien Dr. House, Donald Draper, Robert Gernhardt, Otto Rehagel, nicht Max Goldt, ein Mitglied im Brigitte.de-Forum oder Bas Kast. Leider gab es nach Beendigung des Buches noch zahlreiche Seiten zu füllen, weswegen sich auch immer wieder mal kleine, launig gemeinte Listen im Stil von „Sie sind sexsüchtig, wenn Sie a)… b)… c)…“ im Buch finden. Diese wirken arg bemüht und man ertappt sich dabei, sie zu überfliegen. Nein, eigentlich ertappt man sich nicht dabei, man vollzieht diesen Akt willentlich und wissentlich und spricht ob der Drögheit der meisten Aussagen laut aus: „DICH LESE ICH NICHT!“ Es sind aber nicht arg viele dieser Füllsel, und Bilder gibt es schon mal gar nicht. Bleibt also genug Netto-Text, der sich lohnt.

Auf dem Cover wird Maxim Biller zitiert. Weiss der Teufel, warum man ausgerechnet ihn zum Thema Liebe befragt, der Mann hat ein Buch nur deshalb geschrieben, weil er seine Exfrau hasst (und deren Mutter). Sowas macht man nicht! Jedenfalls sagt er, dass Liebe auf einmal so leicht wirkt, wenn Malte Welding über sie schreibt. Das ist ja nun genau nicht so. Nach der Lektüre erscheint die Liebe wie ein unlösbares Puzzle mit undurchschaubar vielen Teilen. Und erst am Ende merkt man, dass es sich um ein Schiebepuzzle handelt, bei dem immer ein Stück fehlt. Fehlen muss, weil es sich sonst nicht lösen lässt.

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5 Antworten zu Malte Welding: Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte

  1. MuGo schreibt:

    Du liest Ildiko von Kürthy???

  2. Sebastian schreibt:

    So wenig wie Du und wir beide wissen, wie ich es meine.

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