Das Wochenende habe ich sinnvoll genutzt und „Platte gemacht“. Im Zuge der Bedeutungsverschiebung heisst das nun nicht mehr, sich Geld in der FuZo zu schnorren, sondern liegengebliebende TV-Aufnahmen auf der Festplatte abzuarbeiten. Es gab einiges zu tun.
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Die Grenze
Da war zunächst der Sat.1-Zweiteiler Die Grenze. Meine Herren, was für ein Heuler. Grob zusammengefasst geht es darum, dass in Zeiten einer Wirtschaftskrise die „Neue Linke“ und die Nazipartei „DNS“ (Deutsch – National – Stolz) das Land Mecklenburg-Vorpommern faktisch unter sich aufteilen. Kurz vor den Landtagswahlen spielen die anderen Parteien keine Rolle mehr. Nach einigen Ausschreitungen wird kurzerhand in Rostock eine neue Grenze gezogen, es gibt nun einen nationalen und einen kommunistischen Sektor. Mittendrin ist ein ehemaliger Werber, der vom Verfassungsschutz eingeschleust wird, um der Linken (yeah, right) zum Sieg zu verhelfen, da diese im Gegensatz zur DNS noch halbwegs kontrollierbar ist.
Ein Strich, kein Strich, sein Gewand, schaut der Major Richtung Rechts. Stets der Zukunft zugewandt, ganz im Sinne Bertolt Brechts.
Die ganze Absurdität und die vielen Logikbrüche lassen sich garnicht erfassen, aber trotz allem war das ein sehr unterhaltsamer Film. Die revolutionären Altlinken wurden so kitschig in ihre alten NVA-Uniformen und Arbeiterkluften gepresst, dass es eine Wonne war. Zerlumpte 3-Tagebärte mit Kalaschnikows, die im Hafen Wache schieben, so will ich das sehen. Enttäuschend hingegen die Nazis. Diese waren zu zu überzeichnet und wirkten eher wie eine Verbrecherorganisation aus einer Austin Powers-Parodie (richtig gelesen), als dass man sie hätte ernst nehmen können. Das schlagende Fußvolk wurde zu wenig herausgearbeitet und sich zu sehr auf genetisch elitäre Pinkel in weissen Anzügen konzentriert. Die mit unendlich Geld ausgestattete Partei mit eigener Armee ist einfach unnötig, wenn man genau so gut die ja vorhandenen Kameradschaften hätte nehmen können, um ein (verhältnismäßig) realistisches Bild der Region zu zeichnen. Das ganze Projekt leidet natürlich auch ein wenig darunter, dass TV-mehrteilertypisch noch eine Dreiecksbesziehung eingebaut werden muss, diese ist aber wenigstens so absurd zwischen PR-Mann, Nazi und Kommunistin eingebunden, dass es schon wieder Spaß macht.
Immerhin: ein unterhaltsamer Zweiteiler, den ich nicht als Zeitverschwendung sah. 3/5
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Gier
Der gute alte Dieter Wedel hat einen Kommentar zum „entfesselten Kapitalismus“ abgeben wollen und mächtig danebengegriffen. Es gibt in diesem Zweiteiler keine Story. Es gibt eine Gruppe von Wedel-typischen schablonenhaften Karikaturen, die sich von Party zu Party schleppt, um sich von einem windigen Finanzjongleur hinhalten zu lassen. Wie immer gibt es einen alten Vater der Hauptfigur, der zur Mitte des Films einen Herzinfarkt bekommt, gespielt vom Wedel-Stammschauspieler Heinz Hoenig. Wie immer gibt es den Anti-Helden, der in ein böses System gerät, sich einlullen lässt und darüber seine Familie verliert. Das war im Schattenmann und der Affäre Semmeling (kein Vergleich zum grandiosen „Einmal im Leben“ übrigens) schon so, so war es auch diesmal.
Der Abstieg von der Pornoactrice über das Bildopfer zur Darstellerin in einem Dieter Wedel-Film. Sehen Sie Sibel Kekili in „Anal und die Liebe“ – eine Produktion des SchmonZettDF.
Den Cameo des Regisseurs gab es diesmal recht spät zu sehen, deswegen bin ich ja überhaupt nur so lange drangeblieben. Natürlich ist Sibel Kekili hübsch anzusehen, und auch der Rest des Casts macht seine Sache anständig. Aber die ganze Mallorca-Optik und die unfassbar einfallslose Inszenierung erinnern so frappierend an das ZDF-Vorabenprogrammm, dass man sich fragt, wo eigentlich Veronica Ferres steckt. Und wenn man sich fragt, wo eigentlich Veronica Ferres steckt, ist das kein gutes Zeichen. Man hofft, dass irgendwann noch einmal was passiert im Film, dass die Staatsanwaltschaft da irgendwann mal für Bewegung sorgt, stattdessen noch eine Party und noch eine und auf einmal ist der Film zu Ende.
Eine sehr langweilige Geschichte und ein Film, den man sich hätte sparen können. Immerhin hat sich Wedel hier nur auf zwei Teile beschränkt. 1/5
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The Good German
Von The Good German war mir nur noch erinnerlich, dass der Film seinerzeit mit einem Autoplay-Video auf Spiegel Online beworben wurde, so dass man jedesmal, wenn man mit dem Internet Explorer die Seite öffnete (und seien wir ehrlich: das tun wir eigentlich dauernd), der Trailer startete. Keine gute Voraussetzung.
Steven Soderberghs Film ist eine klassische Kriminalgeschichte eingebettet in die Nachkriegsverhandlungen zwischen den Alliierten in Potsdam 1945. Spiderman stirbt, Batman 4 sucht den Mörder und findet seine alte Liebe, Galadriel. Es geht um einen verschwundene Raketenwissenschaftler und die Schuld der Mitläufer im Nationalsozialismus, und darum, dass der Krieg als Entschuldigung für alle und für alles taugt.
Die Frage bleibt, warum stets Hollywoods Kostümdesigner für ihre Naziuniformen gelobt werden, nicht aber die fleissigen deutschen Mädchen, die sie ursprünglich entwarfen. Ehre, wem Ehre gebührt!
Filmisch interessant ist er. Es wurden nur Produktionsmittel genutzt, die auch zur damaligen Zeit zur Verfügung standen. Schwarz-Weiss, kein Zoom, miese Beleuchtung, Deckenmikrofone. Die Schauspieler spielen wie im Theater, es gibt eine Casablanca-Remineszenz (die Schreibkorrektur stöhnt auf, aber das tut sie immer – egal) und das ist alles total artsy-fartsy – aber auch relativ langweilig. Die Geschichte plätschert vor sich hin und alle sind sich einig, wie furchtbar ernst der Film ist. Vor allem Cate Blanchett nervt. Begründung: ist einfach so. Der Film lief tief versteckt im Nachtprogramm des ZDF, eigentlich ein Garant dafür, es mit einem ausgezeichneten Film zu tun zu haben. Aber das war er leider nicht.
Pluspunkte gibt es für nette filmische Ideen, eine passende Musik, George Clooney und den Tod Toby McGuires. 3/5
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This is England – das Ende einer Kindheit
Das ganze Wochenende im Sumpf der Probleme deutscher Befindlichkeiten hat sich für diesen einen Film gelohnt. Was für ein grandioser, bedrückender, guter, trauriger Film. Comig of Age-Geschichten ziehen immer (siehe auch Lottas lesenswerten Rückblick auf Gerhard Henschels Kindheitsroman), wenn das ganze noch in einen interessanten Kontext eingearbeitet wird, gerne.
Der 12-jähre Shaun hat es schwer als Außenseiter im England 1983. Von den piefigen Mods wegen seiner Schlaghosen verspottet, findet er halt in der Skinhead-Szene. Diese ist bis dato noch nicht politisiert und zumindest die Clique, bei der Shaun landet, ist ein liebenswerter Haufen Ausgestoßener, die alle nicht wissen, was sie tun sollen außer zu trinken und leerstehende Häuser zu demolieren. Insbesondere der charismatische Woody dient Shaun, der seinen Vater im Falklandkrieg verloren hat, als Identifikationsfigur.
Das Blatt wendet sich dramatisch, als das frühere Gangmitglied Combo aus dem Knast kommt. Dieser trägt den Nationalismus in die Gruppe hinein, die sich daraufhin aufspaltet. Während die Vernünftigen um Gangleader Woody und den schwarzen Milky nichts mit den Nationalisten zu tun haben wollen, lassen sich die schlichteren, und leider auch der leicht beeinflussbare Shaun, von Combo anstecken.
Man geht sich in der Folge aus dem Weg, doch immer versucht Shaun, die alten Bande aufrechtzuerhalten. Der tumbe Combo, der im Aggressionspotential dem guten alten Begbie in nichts nachsteht, wird immer frustrierter und brutaler und irgendwann muss auch Shaun einsehen, dass er sich für die falsche Seite entschieden hat.
Niggemeier, Alphonso, Lobo, Häussler, Vetter und ich (vorne). Eines Tages… eines Tages…
Während in Die Grenze die rechte Szene bis zur Lächerlichkeit persifliert wird, zeichnet man hier ein knallhartes Bild der National Front, der selbst die eiserne Lady Thatcher zu links ist. Brutal wird die Gewalt an Pakistanern und Jamaicanern verdeutlicht, klar wird gezeigt, mit welchen demagogischen Mitteln die Jugendlichen gewonnen werden.
Auch wenn Regisseur Shane Meadows vor allem die Erfahrungen seiner Kindheit nachzeichnen wollte (was anhand von alten TV-Aufnahmen des Falklandkrieges oder der ersten Videospielautomaten auch gut gelingt), kommt man nicht umhin, Shaun auch als stellvertretend für die damalige Entwicklung der Skinheadszene zu sehen, in der damals tatsächlich seitens der National Front nach Anhängern gesucht wurde. Filmisch ist das alles sehr schön gemacht, ähnlich wie in The Good German verlässt man sich auf Produktionsmittel der damaligen Zeit. Auch die Ausstattung lässt einen das England von ’83 glaubwürdig erscheinen.
Der Film sei jedem ans Herz gelegt, der sich… nein, einfach jedem. 5/5
Ja, „The Good German“ ist leider wirklich ziemlich öde. Nette Idee und sehr schöner Score, aber der Rest? Hmm. Leider nicht wirklich mitreißend. Da hätte man mehr draus machen müssen.
„Spiderman stirbt, Batman 4 sucht den Mörder und findet seine alte Liebe, Galadriel.“ Hihi.
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