Seit ca. 10 Jahren bin ich jetzt Muse-Fan, und „was als harmloser Spaß begann, wurde tödlicher Ernst“ (Giesela Friedrichsen). Es ist mir, seitdem ich irgendwann einmal nachts auf Viva 2 auf das Video Muscle Museum stieß, nicht möglich, diese Band objektiv zu betrachten, da es zwischenzeitlich fast zu einer Obsession wurde, mir mit einem 56k-Modem Live-Auftritte bei Kazaa herunterzuladen, bei ebay Bootlegs zu kaufen und TV-Zeitschriften nach Auftritten abzugrasen (ca. 2001 hatte man gute Chancen, wenigstens einmal pro Woche etwas zu finden). Deswegen ist folgender „Versuch einer Annäherung“ (Feuilleton Gala) auch mit etwas Nachsicht in diese Richtung zu betrachten.
Uprising
Erst gestern Abend blieb mir fast das Herz stehen, als Vox völlig unkritisch und mit dieser ekelhaft-überheblichen Galileo/Gillian Anderson-Synchronstimme eine Doku über die „Mysterien“ des Anschlags vom 11. September ausstrahlte, in der die üblichen, gut abgestandenen und längst widerlegten „Beweise“, dass das WTC gesprengt wurde, aufgetischt wurden. Fast war ich versucht, einen „wütenden Leserbrief“ zu schreiben, aber ich besann mich noch.
Nun liefert Muse den passenden Soundtrack. Es ist bekannt, dass Matt Bellamy einen Hang zu Verschwörungstheorien, Science Fiction und Paranoia hat, was in einem künstlerischen Zusammenhang ein durchaus spannendes Thema ergiben kann, man denke nur an Ruled by Secrecy. Leider fließen derlei Gedanken hier nur allzu unironisch ein und es bleibt beim sehr platitüdenhaften „they„, und gemeint sind halt die da oben, die uns einlullen, belügen und hinter allem steckt etwas größeres.
Immerhin, der Song hat ordentlich Wums! und ist ein idealer Club-Song, und in Clubs hört eh niemand auf den Text.
Resistance
Würden The Killers und Jean-Michel Jarre einen Song zusammen aufnehmen, hier wäre er. Litt Black Holes & Revelations darunter, dass pro Song nur eine Idee verbaut wurde, wo Muse vorher mindestens 3 Songs in einen verarbeiteten, findet die Band hier zurück zu dieser schönen Art. Eine schöne Uptempo-Nummer, dessen Refrain zum hüpfen einlädt, allerdings sehr asynchron und im Publikum wird viel gelacht werden.
Lyrisch geht es diesmal nicht um Politik, sondern um die Liebe im Kampf gegen äußere Umstände, dass „Durch den Monsun“-Thema.
Undisclosed Desires
Dieser Song wurde beim ersten Streaming kontrovers aufgenommen. Auch ich war anfangs skeptisch, aber dank der Seminare und Broschüren, aber nach mehrmaligen Hören ist mir die Nummer sehr ans Herz gewachsen. Viele schrien „Timbaland!“ und noch einmal „Timbaland!“, einer gar „Timberlake!“, der Doofe, ich aber schreie: „Ja, so muss es klingen, wenn Map of your Head auf die Möglichkeiten von Endlessly stößt!“ Ein Refrain, der nicht mehr weggeht und dies auch garnicht soll, und ein Unterbau, der einem wohl nur auf einer guten Anlage auffällt.
United States of Eurasia (+ Collateral Damage)
Zu diesem Song wurde bereits alles gesagt, angefügt sei noch, dass es sich beim Outro um ein Stück von Chopin handelt, was mir als Klassiklaie entging.
Guiding Light
Nein. Eine Nummer, die sogar mir zu weit geht. Nehme Invincible, nehme die Simple Minds, nehme Will you be there, nehme das ganze mal Tausend und Du bist noch nicht einmal nahe dran (frei nach Mark Rents, Trainspotting). Ich verstehe, dass Matt seine Stimme austoben lassen möchte, aber hören muss man es ja nicht.
Unnatural Selection
So nämlich muss das klingen. Nach dem Unnatural Desaster eben wieder eine wütende Nummer, und es hat bis Song 6 gedauert, bis Matt auf seiner Gitarre, immerhin seinem sechsten Sinn, richtig Gas gibt. Zwischenzeitlich verliert er sich ein wenig im Rumgefiedel, während Dom und Chris einzuschlafen scheinen, aber irgendwann muss ein Live-Publikum ja auch mal Luft holen dürfen. Leider wird der Song hierdurch ca. eine Minute zu lang, irgendwo orgelt auch noch eine, nunja, Orgel rum, aber die haben Muse ja immer in der Tasche, wie es scheint.
Bis ich den Text verstanden habe, vergehen wohl noch einige Durchgänge, aber wie so oft in letzter Zeit geht es um die Suche nach der Wahrheit.
MK Ultra
Der Titel hat wohl nichts mit Mortal Kombat zu tun, würde sich als Soundtrack zu einer „zünftigen Prügelei“ (Videospielmagazine, alle!) wunderbar eignen. Ich halte die Melodie für relativ belanglos und den Song insgesamt für einen Füller. Das ist der Song, bei dem man bei der Aufzählung der Tracklist ins Stocken gerät.
I belong to you (+ Mon Coeur s’ouve a ta Voix)
Huch, jetzt ist mir ein Song von Maroon 5 in die Tracklist…. moment, nein, es ist Muse.
Immerhin scheint die Bereitschaft durch, neue Sounds zu wagen, und Chris bemüht sogar ein Slap-Bassspiel, während sich das Klavier an einer längst vergessenen B-Seiten-Version von Cave orientiert. Sehr poppig und radiotauglich.
Im Mittelteil des Songs verwandelt sich das spaßige Herumgespiele in eine klassische Klavierballade, aus der es, trotz aller Versuche, nur schwer wieder herausfindet. Mit Hilfe einer Oboe gelingt es jedoch am Ende und man stellt fest, dass es sich doch noch um den gleichen Song handelt.
Exogenesis: Symphony Part I (Overture)
Es wird klassisch. Als Overture zum Dreiteiler erwartet hier ein kleines Streichorchester, dass untermalt wird von einer Synthiewand, dem Wimmern des Sängers, einer Schlagzeugroutine und der Erwartung auf großes, dass da am Horizont dräut.
Exogenesis: Symphony Part II (Cross Pollination)
Dieses Große beginnt, wie so oft bei Muse, wie so selten jedoch auf diesem Album, mit einem Klaviersolo. Ein Science-Fiction-Plot wird erzählt und man fragt sich, warum man es bei den Lyrics nicht mehr unter dem Zusammenbruch des Universums macht, aber wenn er denn so klingen soll, bitte, ich bin dabei.
Exogenesis: Symphony Part III (Redemption)
Als Filmfan denke ich hier an Truman, der Kenner meint aber hier ein Brahms-Motiv zu hören. Da dieses aber zu den schönsten gehört, die ich kenne, ist ein wenig Plagiatentum erlaubt. Ein versöhnliches Ende eines Albums, dass mich zwiegespalten hinterlässt.
Einerseits sind es wunderschöne Melodien, recht viel Experimentierfreude und als Pathos- und Kitschfreund wird man hier bestens bedient. Andererseits entdeckt man eine von Album zu Album zunehmend verflachende Lyrik, es ist fast so, als hätte Matt Bellamy überhaupt keine Lust mehr, überhaupt noch zu schreiben, sondern würde sich am liebsten auf die Musik konzentrieren und seine nach wie vor fantastische Stimme als zusätzliches Instrument einsetzen.
Auch die Eigenproduktion tat dem Album nicht gut. Es fehlt einfach der Faden, der sich durch das Album zieht, der Absolution zu einem Meisterwerk machte. Hier ist mal die Stimme übersteuert, dort hört man vor lauter Schlagzeug nichts anderes mehr.
Unter dem Strich bleibt die Band aber auf einem Niveau, dass das meiste andere in diesem Segment (aber was wäre das?) überragt und wie immer wird man wohl auch dieses nach vielen, vielen Durchläufen mehr zu schätzen wissen als man am Anfang glauben mag.
Ein Produzent hat nicht viel mit der Aufnahmetechnik zu tun, dafür gibt es die Studio-/Aufnahmetechniker. Produzenten sind mehr für den Songaufbau an sich da. Nach zweimaligem durchhören des Albums (gestern + heute) werde ich mir mal die Bonus-DVD anschauen und eventuell nochmals kommentieren.
Uprising
Hier merkt man das Fehlen des Produzenten an – zu lang, hätte einiges weggekürzt werden können. Die Worte „Fat Cats“ passt aber unglaublich gut zum Drive des Songs.
Resistance
Wunderbare Eröffnung, bis dann das Klavier einsteigt – erinnert mich vom Sound zu sehr an Robert Mile’s „Children“. Die Bridge ist aber so unwerfend catchy, dass ich das gerne verzeihe. Der Refrain dagegegen hätte catchier geraten können, also ähnlich der Bridge. Schluss (nicht Outro) irgendwie nicht ganz stimmig.
Undisclosed Desires
Erstmal etwas ungewohnt, bis die stimme alles verbindet. Dann ganz gut.
Eurasia
Queen meets Absolution meets Orient. Eura- sia! -sia! -sia! Schönes Outro.
Guiding light
Man, sind die Synthieflächen 90er! Das ist auch das, was mich an dem Song am meisten stört. Außerdem fehlt es etwas an drive. Aber in so einen Song ein metal-esques Solo einzubauen ist schon sehr geil. Tiefpunkt des Albums, da stimme ich zu.
Unnatural Selection
Beim ersten hören ging das Album für mich erst hier wirklich los (und war dann nach MK Ultra auch schon wieder zu ende). Klingt sehr nach dem alten, guten zeug, dass nicht auf Alben war. Also hier wird heftigst Eigenkopie betrieben, fast wie ein Best-of-Hitmix.
MK Ultra
Füller, ja. Aber ein sehr guter. Der Song hängt sich nirgendwo im Gehirn so richtig ein. Streicher klingen schlecht.. die sind glaube ich auch nur aus dem PC. Also definitiv kein Song der nervt, aber auch keiner, den man extra immer wieder hört.
I belong to you
Der Anfang fängt sofort. Danach bleibt man dann im Song drin, bis der Zwischenpart kommt (für Leute ohne Booklet: Dieser trennt „you are my mu“ von „se“). Der Zwischenpart..ja, da sind wir auch schon bei dem Teil, wegen dem der Titel nicht so oft auf den Playlisten dieser Welt landen wird. Nicht, dass er schlecht wäre, aber er unterbricht den Song, der bis dato so stimmig war. Irgendwie zu erzwungen.
exogenesis I
Die Eröffnung mal schöne Klangbilder. Die Stimmung, die dann mit einsetzten der Stimme aufgebaut wird, ist genau mein Ding, für mich endlich ein würdiger Nachfolger zu „Interlude“. Die Streicher hätten für meinen Geschmack etwas mehr portamento (gebunden/fließender) spielen können.
exogenesis II
„piano thing“ am Anfang, dann „Ruled by secrecy“, dann irgendwas neues, am Schluss wieder piano thing.
exogenesis I
Passt irgendwie zuerst nicht so zu den anderen beiden, was sich aber irgendwo im Laufe des Songs ändert. Sehr schönes Ende für das Album.
Auf dem Album vermisse ich etwas straighteres Schlagzeug, außerdem kommt das Album irgendwie distanziert rüber, vielleicht auch wegen Ermangelung des roten Fadens, der schon erwähnt wurde. wenn man beim letzten Titel rekapituliert, was man bisher gehört hat, dann weiß man gar nicht, wie das zusammengefunden hat. das variantenreichste Muse-Album bisher, auch ist es eher ein klavier-album. Ich glaube das Album wächst noch mit mehrmaligem hören etwas weiter (ich freue mich jetzt schon auf eine Bahnfahrt, damit ich mit meinen Kopfhörern wieder das ein- oder andere Detail finden kann, dass einem so gar nicht auffällt), aber ein Meilenstein wird es wohl nicht mehr werden.
Dann decken sich unsere Meinungen ja doch recht. Wenn man bedenkt, was für eine Entwicklung Dom von Showbiz bis Absolution durchgemacht hat, ist es schon überraschend, dass er sich hier so zurückhält. Und für diverse Haken im Gedächtnis war bislang ja auch das Spiel von Chris verantwortlich, das vermisse ich hier auch ein wenig.
Ja, definitiv. Ich hab‘ mir ja auch gleichzeitig mit „The Resistance“ die H.A.A.R.P.-DVD liefern lassen – da merkt man gerade Dom’s Entwicklung: Die OoS-Sachen sind Schlagzeugmäßig irgendwie ziemlich langweilig und die Sounddichte viel dichter gewesen. Das Album gefällt mir trotzdem mittlerweile wirklich gut (bis auf Guiding Light..was haben die sich dabei bloß gedacht?), bleibt aber trotzdem hinter den beiden davor zurück. Meine Top-3-Veröffentlichungen dieses Jahr also bisher: 3. Muse – The Resistance, 2. Dredg – the parrot, the pariah, the delusion und Platz 1: Metric – Fantasies. Eigentlich hatte ich die Reihenfolge umgekehrt erwartet, aber man wird doch immer wieder überrascht. Die Bonus-DVD in der „Limeted Edition“ (ich verstehe nicht, wonach diese Bezeichnung heutzutage vergeben wird) ist übrigends sehr ähnlich zu der, die bei Absolution beilag, nur nicht ganz so umfangreich (gab es bei „Black Holes and Revelations“ eigentlich eine Bonus-DVD?).
Von einer Bonus-DVD bei BHaR weiss ich nichts, habe aber auch nicht danach gesucht.
Witzigerweise ist es die Gitarre aus MK Ultra, die ich gerade nicht mehr aus dem Kopf kriege. Soviel dazu 🙂
Nerds!
Also ich habe bis gestern dauernd das Album durgehört, zwangsweise. Ich konnte nicht anders, da sind doch ein paar Ohrwürmer enstanden und hängengeblieben. heute laufen das erste Mal seit erscheinen von „The Resistance“ wieder andere Alben durch (erst „Panopticon“ von Isis, jetzt schon zum zweiten mal „the hawk is howling“ von Mogwai). Aber auch erst, nachdem einmal „The Resistance“ durchgelaufen ist.
Und Frank: Ein Nerd ist man doch nicht wegen sowas. Ein Nerd ist man, wenn man Sunshine drei mal hintereinander anschaut. Einmal normal, einmal mit Kommentaren vom Regisseur und dann mit Kommentaren vom wissenschatlichen Berater. Oder wenn man sich bei „The IT Crowd“ oder „The Big Bang Theorie“ nur zu gut selbst wiederfindet. Nerds sind im übrigen cool.
Musiknerd kann ich sowieso schon mal nicht sein, so wenig Ahnung, wie ich habe. Diese ganzen Bands, die causa da aufzählt… nie gehört.
Du sagst in deinem Beitrag, dass mancher ein Brahms-Motiv erkennt. Mich würde brennend interessieren welches? Ich find das Motiv so schön …
Wenn ich das mal wüsste, ich bin da leider nicht manch einer. Im Laut-Forum wurde da drüber diskutiert. Jedenfalls beziehen sich wohl auch Teile des Truman-Show-Soundtracks darauf, Truman sleeps könnte Dir gefallen.
Sehe grade, dass ich das genau so schon oben geschrieben habe, sorry 😉