Berlin

Das letzte mal in Berlin war ich im Sommer 2006 aufgrund einer Einladung der Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises, Ute Kumpf (SPD). Als MdB hat man ein bestimmtes Budget um Gruppen von Politikinteressierten nach Berlin einladen zu können, wo siese ein Programm zur politischen Bildung durchlaufen. Da noch einige Plätze für den viertätigen Ausflug frei waren, wurde unter uns Jusos gefragt, ob noch jemand Lust hätte, und ich stimmte zu.

Neben ca. 15 größtenteils Jugendlichen gab es eben uns 4 „erwachsene“ Jusos und aber vor allem eine ebenfalls ca. 15 Mann starke Besatzung einer dörflichen freiwilligen Feuerwehr, welche sich in den 4 Tagen anschickte, möglichst viele Klischees zu erfüllen, die man eben von dörflichen Feuerwehren hat. Während die Jugendlichen tatsächlich an den (allzu) zahlreichen Vorträgen, die uns im Innen-, und Außenministerium sowie in der ehemaligen Stasi-Hauptzentrale gehalten wurden, interessiert waren (eine Leistung, die nicht einmal ich vollbrachte, gerade die einleitenden PR-Filme der Ministerien laden zum Nickerchen ein), erging sich das dauerbesoffene Trüppchen in Witzen über diverse Minderheiten und freute sich, dass ihr Truppführer diesen mehrtägigen Berlin-Urlaub in einem Vier-Sterne-Hotel ermöglicht hatte.

Lowlight der Veranstaltung war dann ein geplanter Dialog mit einem SPD-Referenten im Willy-Brandt-Haus, dem wir eine halbe Stunde schweigend gegenüber saßen, bis wir gemeinsam entschieden, dass das wohl nichts mehr wird. Ein anschließender Besuch im Reichstag und eine Führung hinter die Kulissen, zum Beispiel in den SPD-Fraktionsraum oder auch in den Presseraum, der tatsächlich noch viel größer ist, als er im Fernsehen wirkt (gerade die „blaue Wand“ ist sehr groß), rundeten die Sache fast ab.

Inoffiziell gab es aber doch noch etwas, denn wir SPD-Mitglieder hatten abends noch ein paar exklusivere Einblicke. Ute Kumpf führte uns in ihr mit allerlei von ihrem Mann erstellter Kunst behangenes Büro, in dem es einen Haufen aufregender Dinge gab, zum Beispiel einen Computer und gleich mehrere Stühle. An dieser Stelle wollte ich einen Link zu der Szene setzen, in der Bart Simpsons Klasse durch eine Kartonagefabrik geführt wird, statt dessen gibt es ein Video eines Messestandes einer Kartonagefabrik, was mindestens genau so toll ist.

Für einen Lacher sorgte Ute Kumpfs Antwort auf die Frage, ob wir denn tatsächlich um diese späte Zeit noch durch den Empfangsraum des Paul-Löbe-Hauses (dort, wo feierliche Anlässe begangen werden, ein aus Steuerzahlersicht sehr bedenklicher Protzbau) spazieren dürften. Sie winkte ab und sagte, das sei in Ordnung, zu Weihnachten spendiere sie der Wachmannschaft immer eine Flasche Wein und sie könne sehr gut mit ihnen. Sprach’s und wurde mitsamt uns als Gefolge eher bestimmt als höflich aus dem Gebäude komplimentiert.

Abends hieß es auch für uns „Bier Marsch“ und wir verbrachten einige Zeit am Pressestrand, ein Ort, dessen Name verwirrt, es gab nämlich weder Presse noch einen Strand. Was es gab waren Strandkörbe und eine Menge Sand. Das Komplementärgut, das zum vollständigen Strand führt, nämlich Wasser, fehlte naturgemäß. (An dieser Stelle erinnere ich gerne noch einmal an das Beachvolleyballturnier, das die Hansestadt Lübeck einst ausführte – nämlich in der Innenstadt, in der zu diesem Zweck extra tonnenweise Sand aufgeschüttet wurde, statt am nur wenige Kilometer entfernten: Strand!). Ich fühlte mich, wie überhaupt die ganze Zeit über, ein wenig Fehl am Platz. Es gelang mir nicht, einen Dialog mit irgendjemanden aufzubauen und um dem kleinen Stehtisch versammelte sich um Ute Kumpf die Nachwuchsgeneration zum Smalltalk. Ich setzte mich irgendwo in den Sand und trank statt Bier eine Flasche Beck’s. Ich glaube, hier fasste ich den Entschluss, das Experiment „Politik“ bleiben zu lassen und ließ mich hinterher auch seltener bei Versammlungen blicken, bis das Interesse ganz einschlief.

Und nun sackte die SPD in der Stuttgarter Gemeinderatswahl nochmals ein und überraschend wurden die Grünen, Stuttgart 21 sei’s gedankt, stärkste Fraktion. Das erste Mal seit damals hörte ich wieder etwas von Ute Kumpf, die sich als schlechte Verliererin gab.

Als sich Werner Wölfle, der Chef und Vordenker der Stuttgarter Grünen, am Wahlabend der kleinen Gruppe konsternierter Sozialdemokraten näherte, um wie ein fairer Sportsmann den Unterlegenen die Hand zu reichen und ihnen damit symbolisch eine bessere Zusammenarbeit anzubieten – da rastete Ute Kumpf, die Frontfrau der Stuttgarter SPD im Bundestag, regelrecht aus: „Absahner, Absahner!“ rief sie Wölfle verbittert entgegen. So laut, dass es ringsumher alle hörten. Die frühere Kreischefin und geschlagene OB-Kandidatin von 2006 konnte ihren Frust nicht verbergen. Ihre Nerven lagen blank. Werner Wölfle wandte sich brüsk ab und rief böse zurück: „Mit dieser Reaktion hatte ich gerechnet!“ Das Tischtuch zwischen der SPD und den Grünen bleibt zerschnitten. Die gebeutelte SPD entlarvt sich als schlechter Verlierer.

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9 Antworten zu Berlin

  1. MuGo schreibt:

    Ich glaube, dass das Zitat alles sagt, warum ich eher die Linke wählen würde als die SPD – diese eklige Arroganz mit mangelnder Selbstreflexion!

  2. Sebastian schreibt:

    Was mich interessiert: wie betont man so etwas? „Absahner! Absahner!“ klingt ja erst einmal sehr merkwürdig, wenn man es direkt so ausspricht. Wirklich Sinn ergibt das doch nur im Porno-Kontext, aber da will ich mal nichts unterstellen.

  3. MuGo schreibt:

    Ich schätze: verächtlich gezischt beim ersten Mal, beim zweiten Mal frustriert geschrien.

  4. Leon Hartner schreibt:

    *uuaaaaah* wir sind bei einer ähnlichen Veranstaltung in Berlin, in 2 Wochen. Immerhin mit gescheiter Gruppe 🙂 Und nicht bei Frau Kumpf 😛

    Übrigens: weil du aus der Stuttgarter Gegend kommst, gescheit klingst und außerdem das gleiche Theme hast, das ich mal hatte bisch in meiner Blogroll 😛

  5. Sebastian schreibt:

    Ich wünsche mal viel Spaß, das kann ja auch ganz witzig sein. Wenn man mit den richtigen Leuten da ist.

  6. uwekeim schreibt:

    Die SPD. Uah.

  7. Alexander schreibt:

    Kann es eigentlich sein, dass das Becki (von „Becki und Torben“) bei der Stuttgarter SPD ist?

    Eine ihr ähnlich sehende Dame habe ich neulich auf einem Wahlplakt in Richtung Schloß/Johannesstraße gesehen.

  8. Sebastian schreibt:

    Hm, ne, nicht das ich wüsste. Aber ich war ja auch schon ewig nicht mehr da. Kommen die denn aus Stuttgart?

  9. Alexander schreibt:

    Sieht so aus, aber das Plakat war schon sehr beschädigt.

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